Ochsentreffen im Ecomuseé d'Alsace 2014
9. Internationales Treffen der Rindertreiber im Écomusée d'Alsace, Ungersheim
Vom 29.05.2014 bis 01.06.2014
Wie jedes Jahr hat das Ecomusee D'Alsace auch dieses Jahr wieder für ein Wochenende im Mai zum Treffen der Zugrindernutzer eingeladen.
Für den harten Kern von 30-40 Leuten, die mit Rindern arbeiten oder/ und mit Phillippe befreundet sind, gab es aber schon am Freitag eine beeindruckende Veranstaltung:
BEI ANNE CATHRINE UND PHILLIPPE KUHLMANN
Am 30. Mai trafen wir uns bei Anne Cathrin und Phillippe Kuhlmann auf dem Hof. Gut ¾ der Ochsenfahrer waren Franzosen, dazu kamen einige Deutsche, Engländer, Schweizer.
Seit mehreren Jahren bieten die beiden dieses Arbeitstreffen auf ihrem Landwirtschafts- betrieb in den Vogesen an. Jeder bringt etwas zum gemeinsamen Essen und Trinken mit, es wird diskutiert, gefeiert und natürlich mit Phillippes Ochsen und Bullen gearbeitet. Auch Live Musik gab es!
Phillippe ist einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige West- und Mitteleuropäer, dessen Vollerwerbsbetrieb ausschließlich mit Zugrindern bewirtschaftet wird. Es gibt keinen Traktor auf dem Betrieb.
Für sämtliche Arbeiten auf dem eigenen Hof und im Wald, dazu noch für die Lohnarbeit in Weinbergen und im Holz, nutzt er die regionale und für diesen Zweck altbewährte Rasse der Vogesenrinder. „La Vosgienne“ ist ein kleines, hartes, widerstandsfähiges und leider auch seltenes Rind, aus dessen Milch der berühmte „Munster“ oder Münsterkäse hergestellt wird. Die Rinder sind vorwiegend schwarzweiß, es kommen aber auch etwa 1% braunweiße Tiere vor. Die Klauen, die Hornspitze, Ohren, Flotzmaul inklusive das ihm umgebende Fell, die Augenumrandung sowie die Seiten der Tiere sind gefärbt, Bauch und Rücken, ein Teil des Gesichtes und der Schwanz sind weiß. Die weißen Anteile sind oft mehr oder weniger stark gesprenkelt. Es kommen sowohl fast schwarze als auch fast weiße Tiere vor.
In Frankreich wird die Rasse gefördert, um sie zu erhalten. Phillippe schwärmt von den harten, schwarzen Klauen, die wenig Pflege brauchen und sich bei der Arbeit im Schritt nur sehr langsam abnutzen. Auch von der Kraft und Zähigkeit, dem tiefen Schwerpunkt und der Anspruchslosigkeit profitiert er bei seiner Art der Nutzung.
Zum Betrieb gehören etwa 15-20 Vogesenkühe, ihre eigene Nachzucht so wie Zukaufkälber. Alle Kälber werden von Hand mit der Milch seiner Kühe aufgezogen und entweder als Zugrinder angelernt oder als Zucht- bzw. Schlachttiere mit 2-3 Jahren verkauft. Mindestens 4, oft bis zu 8 Bullen und Ochsen sind ständig zum Arbeiten auf dem Betrieb. Im Alter von 4,5-6 Jahren werden sie entweder als gut ausgebildete Zugtiere, die harte Arbeit kennen und verlässlich ihren Dienst tun verkauft, oder sie finden keinen passenden Käufer, dann werden sie ebenfalls geschlachtet.
Außerdem gehören zum Hof einige Ziegen und Geflügel. Die Milch der Ziegen und Kühe, die nicht zur Aufzucht benutzt wird, verkäsen Anne Cathrine und Phillippe Kuhlmann selber. Zusammen mit den ausgebildeten Zugrindern und Schlachttieren bilden sie die Einkommensgrundlage des Hofes. Außerdem werden noch Ferienwohnungen angeboten, dazu unten mehr ...
Phillippe hat sich für dieses Treffen etwas besonderes ausgedacht: Seit einiger Zeit arbeitet er an dem Prototyp eines Einachsers mit Seilwinde zum heben und Transportieren schwerer kompakter Lasten, wie z.B. Rund- oder Quaderballen. Noch wird die Seilwinde manuell betätigt, doch langfristig möchte er ein Hebelsystem nutzen, bei welchem diese Arbeit auch von den Rindern übernommen wird.
An diesem Tag sollte das Gerät erstmals ausprobiert werden. Das Besondere daran ist, daß dieser Hub- und Schubwagen von den Rindern geschoben werden soll. Mit dem in der Region üblichen Doppelgenickjoch ist das möglich - ein großer Unterschied zu Anschirrungen, die nicht über Kopfschub laufen. Das ist bisher nur beim Rind, nicht aber beim Pferd möglich. Mit einer manuellen Feinlenkung soll es möglich sein, daß man z.B. einen Rundballen vorwärts sehr genau ansteuern kann. Anders als beim Rückwärtsrichten, würde man so auch ein gewisses Tempo erreichen, mit dem dann den Ballen aufspießen kann. Vorwärts sieht man genau was man tut, man geht zwischen den Tieren und dem Einachswagen. Auch zur späteren Nutzung der tierischen Kraft beim Heben der Last ist diese Position dienlich. Bei längeren Strecken soll nach dem Aufladen wieder umgehängt werden, so daß die Tiere wie gewohnt die Last hinter sich haben.
Am Vormittag hatte das Gerät zwischen Ochsen und Achse noch ein Gelenk zu viel, welches verursachte, daß es sich dem Schub entzog und sich unberechenbar wand. Nach dem Mittag wurde die geknickte Deichsel durch einen kleinen Baumstamm ersetzt, was besser funktionierte.
Allerdings war jetzt bei der manuellen Feinsteuerung die Deichsel im Weg. Der zusätzliche Knick, der die Deichsel vorher vom Genickjoch in Bodennähe gebracht hatte, fehlte nun. Noch ist das Gerät nicht ausgereift, aber ein ganz neuer Ansatz ist geschafft. Grundsätzlich ist das Schieben von Lasten laut Phillippe keine neue Idee: schon in der römisch - gallischen Zeit wurde die Schubkraft der Tiere genutzt.
Für Phillippes Rinder war das vorwärts schieben mit der Deichsel vor sich jedenfalls neu. Sie mußten erst lernen, mit ihrer neuen Funktion umzugehen. Die Last vor sich her zu balancieren ist etwas anderes, als sie zu ziehen. Eine kleine Tendenz der Hinterhand nach links hat eine Verlagerung der Last nach rechts zur Folge. Es mußte sich etwa so anfühlen, wie für einen Menschen, der das erste Mal einen zweiachsigen Hänger rückwärts fährt. Eine Herausforderung, denn niemand der Anwesenden, weder Mensch noch Tier, hatte je so gearbeitet.
Doch unter Phillippes ruhiger und konsequenter Anleitung hatte das Gespann den Dreh bald raus, das neue Gefährt wurde sicher vorwärts geschoben und von Hand zusätzlich feingesteuert.
Bei einer Diskussion am nächsten Abend im Ecomusee, kam das Thema nochmals auf das Gerät zu sprechen. Zu Recht betonte Phillippe, daß nur jemand, der gewillt ist ganz auf den Traktor zu verzichten gezwungen sei, sich Gedanken zu machen über moderne Zugrindertechnik. Nur wenn nicht die schnelle Lösung mit dem Traktor bereit steht, ist der Ansporn unter dem Druck der Arbeit hoch genug um hartnäckig nach neuen Lösungen für die Rinderanspannung zu suchen.
Außerdem wurde ein verändertes Doppelgenickjoch mit eingeschraubten Polstern, gepolsterten, fixierten Riemen und mit Eisen verstärktem Mittelteil gezeigt und ausprobiert. Die schnallenseitige Vernähung der Gurte mit sich selbst sowie die Fixierung der Polster sollen Zeit beim Anschirren sparen. Die Eisenverstärkung verhindert ein Brechen des Joches am durch das Deichselloch geschwächten Mittelteil.
Die Teilnehmer verließen am Abend beeindruckt, durch neue Erfahrungen bereichert, satt und zufrieden den Hof.
Vielen Dank Anne Cathrin und Phillippe für diesen schönen und beeindruckenden Tag!!
Bei Interesse an einem Urlaub an diesem wunderschönen Ort, lohnt sich ein Blick auf die Internetseite: http:lechaletvosgien.free.fr
Man kann dort auch mitmachen (da mein Französisch eher marginal ist, hier ein Ausschnitt aus der Website der beiden im Original):
- démonstrations d'attelages bovins
- stages d'initiation à la traction animale
- visite de l'étable, participation à la traite manuelles des chèvres et vaches
A.C. & Ph. KUHLMANN
Chemin du Londenbach
68140 SOULTZEREN
Tél. 03 89 77 44 46
Port. 06 86 26 09 33
<a href="mailto%3Alechaletvosgien@free.fr">lechaletvosgien@free.fr </a>
Wer auch nur ein bisschen Französisch versteht, dem sei auch die Französische Zugrinderwebsite nahegelegt:
http://attelagesbovinsdaujourdhui.unblog.fr/
IM ECOMUSEE
Am Freitag abend fuhren wir ausländischen Gäste zum Ecomusee d'Alsace.
Freundlicher Weise war es möglich, im Gästehaus im Museum schon am Freitag Abend in Dreibettzimmern untergebracht zu werden. Auch eine Gemeinschaftsküche stand dort bis Sonntag Mittag für das Zugrindertreffen zur Verfügung und alle wurden großzügig versorgt.
30 Jähriges Jubiläum des Ecomusee d'Alsace
Am Sonntag wurde das 30 jährige Bestehen des Museums auch für Besucher gefeiert, doch bereits am Samstag sollte es Nachmittags eine Liveübertragung zu dem Thema im lokalen Fernsehen geben, bei dem auch die Ochsenarbeit gefragt war.
Der Samstag Vormittag war also vorwiegend dafür vorgesehen, die Tiere an die Aufgabe zu gewöhnen, die Wege abzulaufen und den kleinen Umzug mit verschiedenen Wagen auszuprobieren. Dazu trafen man sich um 10h . Zwei Ochsen im Alter von 4,5 Jahren von Philippe arbeiteten im Doppelgenickjoch, André Kammerer brachte seinen 6jährigen Ochsen mit und dieser, sowie ein weiterer Vogesenochse im Genickeinzeljoch zogen jeweils einen Karren.
Holzrücken mit Ochsen
Nach dem kurzen Umzug und dem Interview ging es ohne Laienpublikum in den Wald. Die zwei 4,5jährigen Ochsen waren noch etwas erschöpft von den knapp 40km´s die sie 2 Tage vorher zu Fuß in einer politischen Mission zurück gelegt hatten. Marco, der Beiochse, zog besonders in schwierigen Situationen nicht so gut mit an, wie der gewohnte stärkere Partner des Handochsen, worüber letzterer sich ärgerte und sich hin und wieder mit ruckartigen Vorwärtsbewegungen der alleinigen Belastung entziehen wollte. Dadurch wurde der schwere, nasse Stamm mehrmals in Situationen bugsiert, die nur durch Umhängen zu korrigieren waren. Die Ruhe und Konsequenz mit der Philippe die Tiere immer wieder motivierte, aber auch seine Hartnäckigkeit ist gerade in solchen Situationen immer wieder beeindruckend. Beim Zuschauen sind das die Momente, in denen man am meisten lernt.
Mit einem Holzspeichenrückewagen wurde der Stamm zum Sägewerk gezogen und dort noch per Ochsenkraft in die richtige Position für die Verarbeitung gebracht.
Samstag Abend traf man sich zur Diskussionsrunde. Der neue Direktor sprach ein paar Worte und der Präsident des Museums bot an, dass dieses Museum auch in Zukunft eine Heimat für alle europäischen Ochsenleute sein könnte. Francoise Kiesler nannte Cozette Griffin-Kremer die beste Koordinatorin und Vernetzerin der Ochsenleute, ohne die das ganze nie diesen Rahmen erreicht hätte.
Cozette Griffin-Kremer selbst wünschte sich, daß man eine gemeinsame Zukunft organisieren könne, um dieses wichtige Kulturgut zu erhalten, welches gerade verloren zu gehen droht.
In der anschließenden Diskussion ging es darum, wie man solche Treffen effektiver gestalten und Vermittlung dieses wertvollen Wissens verbessern könne.
Es ging in der Diskussion um die verschiedenen Kategorien der Zugtiernutzung. Zwischen den - dies ist nicht herablassend gemeint - “Hobbyochsenfahrern“ und dem Landwirt, der ausschließlich mit Zugrindern arbeitet, gibt es ein breites Spektrum von Zugrinderleuten, die zwar nicht davon leben, aber doch real mit den Tieren arbeiten, wie z.B. Dörings in ihrer Selbstversorgerlandwirtschaft oder einige Museumsbetriebe und Bauern oder Holzrücker, die Teile ihrer land- und /oder forstwirtschaftlichen Arbeit mit Zugochsen erledigen, oder auch Menschen wie Anne Wiltafsky, die in ihrer Kuhschule unter anderem die Arbeit mit Rindern mit Kunstprojekten verbindet.
Es ging in der Diskussion um die verschiedenen Kategorien der Zugtiernutzung. Zwischen den - dies ist nicht herablassend gemeint - “Hobbyochsenfahrern“ und dem Landwirt, der ausschließlich mit Zugrindern arbeitet, gibt es ein breites Spektrum von Zugrinderleuten, die zwar nicht davon leben, aber doch real mit den Tieren arbeiten, wie z.B. Dörings in ihrer Selbstversorgerlandwirtschaft oder einige Museumsbetriebe und Bauern oder Holzrücker, die Teile ihrer land- und /oder forstwirtschaftlichen Arbeit mit Zugochsen erledigen, oder auch Menschen wie Anne Wiltafsky, die in ihrer Kuhschule unter anderem die Arbeit mit Rindern mit Kunstprojekten verbindet.
Die Deutsche und die Französische Webseite der Zugrinderleute, so der Plan, sollten enger zusammen arbeiten, langfristig idealer weise auch zusammen gelegt werden, sich zumindest gegenseitig verlinken, mit Terminen, Verkaufstieren, Geräte- und Workshopangeboten und Ähnlichem. Eine Mail/Adressenliste der Teilnehmer wurde sofort erstellt und zum Mitnehmen kopiert.
Abends wurde noch der ein oder andere Stick hervorgekramt um sich gegenseitig Bilder und Filmchen auf mitgebrachten Laptops zu zeigen.
Zum Beispiel hat eine Schülerin der CFPPA Bilder der dortigen Arbeit gezeigt. Im Norden Frankreichs liegt die „CFPPA de Montmorillon“, eine vom Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forstwirtschaft finanzierte Landwirtschaftsschule. Man kann dort auch tierische Anspannung lernen. Ein Lehrgang für Pferdearbeit dauert 6 Monate, einer für Rinder 5 Tage. Ein Ochsengespann und mehrere Kaltblutpferde und auch Manu Fleurantdidier lehren auf dem Betrieb. Mit Ochsen und Rindern wird mit moderner Pferdetechnik gearbeitet und auch die Rinderbeschirrung wird weiter entwickelt.
So etwas würde man sich in Deutschland auch wünschen!
Allein diese neuen Kontakte wären schon das Treffen wert gewesen.