13. Treffen der Französischen Ochsentreiber

Vom 10.05.2018 bis 13.05.2018

Ich betrete das graue, verregnete Ecomusée voller Vorfreude auf die kommenden Tage. Draußen haben mich schon beim Herfahren die blühenden Akazienwälder in ihrem weißen Schleier begrüßt, hier im Museum sind es die Störche, die sofort mit ihrem Geklapper den Blick auf die Dächer und eng darauf angelegten Nester lenken. Da sitzen und stehen die Vögel nun im strömenden Regen und sehen reichlich Mitleid erregend aus: die langen schwarzen Federn der Flügel und des Schwanzes hängen senkrecht nach unten, während die weißen Körperfedern nach allen Richtungen wirr durcheinander abstehen und vom Wasser verklebt sind. So ähnlich wie mein Spiegelbild morgens nach der Dusche.

Weil das Treffen später beginnt als angekündigt hab ich Zeit und Muße durch einige der kleinen und großen Fachwerkhäuser zu wandern und mich umzusehen. Was hat sich seit letzem November geändert? Der Bauerngarten vor dem Hof, der die Rinder beherbergt, ist immer ein Quell der Freude. Eine Ente betreibt Gartenpflege, sie ist die biologische und natürliche Alternative zur Schnecken-Bekämpfung. Anderes Federvieh sitzt in Bruthöhlen, sieht mich skeptisch an und rührt sich keinen Zentimeter vom Gelege. Bei einer Pute wutzeln schon die aufgeregten Kücken um den Bauch. Mitten auf dem weitläufigen Platz der Zimmerer stehen immer noch die drei großen, hölzernen Ladewagen und warten darauf, daß sie mit vorgespannten Tieren erneut am Leben teilnehmen können. Ihr Ächzen und Stöhnen bei der Arbeit klingt seit Jahrhunderten gleich. Auf einem liegen dekorativ unterschiedliche Jochnägel, bei der französischen Art der Anspannung unentbehrliche Werkzeuge.

Mittglieder der französischen Bouviers-Vereinigung treffen ein

Langsam treffen die Mitglieder der französischen Bouviers-Vereinigung ein, ich erkenne sie an ihrem großen Interesse für die Museumsrinder und die zugenickten Begrüßungen untereinander. Philippe bringt eigene Rinder mit und was nicht schon im Stall des Hofes steht wird von der Weide des Ecomusée geholt. Ganz selbstverständlich greift jeder mit hin und hilft, Rinder liegen im Blut der Beteiligten. Wir beginnen mit einer Vogesen-Kuh, legen ein neuwertiges 3PolsterKumt auf und versuchen ihr das Ziehen damit schmackhaft zu machen. Führen kennt sie, das Kumt ist neu und lila Pressbänder ersetzen fürs erste ordentliche Zugstränge, später läuft auch niemand mehr nach sondern wir hängen ein Ortscheit in das Ende der Stränge. Es klappt außerordentlich gut, die Kuh begreift schnell. Nur ihr Speichelbart verrät ihre innere Aufregung.

Museumochsen werden eingejocht

Dann werden die beiden Museumochsen eingejocht, mittlerweile kenne ich mich auch mit diesem System ganz gut aus. Es sind „neumodische“ Ledergurte an diesem Joch, damit meine ich es ist einfach zu verschnallen, das große Gewickel entfällt. Wir nehmen die robuste Kippkarre und holen Grünfutter. Philippe hat eine Idee wie die schwere Deichsel dieses in Ruhe nach vorn gekippten Karrens leichter anzuheben und im Joch festzumachen ist. Wir probieren eine Weile und sind trotzdem noch nicht 100% zufrieden, die nächsten Tage bleiben genug Gelegenheiten weiter zu tüfteln. Weil es immer wieder regnet und durchaus kühl ist springen wir beim Schnapsbrenner vorbei, das wärmt von innen – vorübergehend.

Mittags bringen wir für einen kleinen Moment die Küche aus der Fassung, wir sind deutlich mehr Leute als angemeldet. Die Suppe wird gestreckt, eine Vorspeise gezaubert aus diversen Salaten und einer kulinarisch herausragenden Gänseleberpastete, das Hauptgericht reicht für alle und eine Platte mit verschiedenen Käsesorten beendet das 4 Gänge Menü. Als Nachtisch wird Kuchen serviert und ein Kaffee gereicht. Wir sind platzevoll. Das wird sich jetzt jeden Mittag wiederholen und Abends dürfen wir auch herzhaft zugreifen: der gut gefüllte Kühlschrank steht uns zur freien Verfügung. Das Museum kümmert sich liebevoll um seine Gäste. Der Nachmittag wird anspruchsvoller: wir wollen mit 2 Ochsen einen Selbsthalter-Zweischar-Pflug ausprobieren. Wir sind hinten im Museum auf einem Acker unterwegs und der Pflug stellt uns vor ungeahnte Herausforderungen. Durch den Regen ist die obere Erdschicht nass, unten kommt lockerer, trockener Boden zum Vorschein. Der Pflug pflügt vorerst nur mit einer Schar, wir stellen ein, probieren anderes, basteln herum und schließlich pflügt er mit der anderen Schar, schön immerhin, aber noch nicht das Ideal.

Währenddessen bespaßen zwei weitere Bouviers ein Jungrind im benachbarten Wein, es soll mit der Hacke den Boden lockern. Auch hier begreift das Rind schnell was erwartet wird und schon bald sieht der Wein hervorragend gepflegt aus. Hier hinten hat es mehrere Hochbeete, die direkt auf Stroh angelegt wurden. Im letzten Herbst neu gebaut sind sie jetzt schon deutlich eingesunken und bis nächstes Frühjahr werden sie komplett kompostiert sein. Weil heute der Tag der Milchkuh im Museum ist wird die Kuh vom Philippe vor Publikum, vor allem Kinder, gemolken und die Milch an alle ausgeteilt die einmal probieren möchten. Süß, warm und vollmundig zergeht sie auf der Zunge – niemand fragt warum sie anders schmeckt als die aus dem Tetrapack.

Zwischendrin wärmen wir uns in der Küche des Rinderhofes auf. Hier hat es mindestens 2 Herde, einen Backofen und 2 Heizöfen die von diesem Raum aus befeuert werden. Trotzdem hat das Haus keinen Kamin, die Decke der Küche ist zur Hälfte nach oben offen und so kann der Rauch durch die Dachschindeln abziehen. Nein, aktuell sind die Öfen nicht in Gebrauch, aber heute reicht uns schon ein trockener Platz. Dieses Haus zeigt auch den typisch elsässischen Baustil: unmittelbar neben dem Backofen die steinerne Spüle mit Abfluß nach draußen, einem Fenster darüber zum Sehen wer kommt und gleich daneben die Haustür. Rechts davon geht es in den Stall. Ein weiterer zur Zeit nicht nutzbarer Durchgang zu den Rindern liegt im Flur, es mag gerochen haben aber die Wege waren kurz. Überraschend wagt sich am Nachmittag sogar die Sonne hervor und ich finde es schade, daß der erste Tag schon vorbei ist.

Tweiter Tag

Heute begrüßt uns gleich beim Aufstehen die Sonne, es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. Schmetterlingsraupen ahlen sich im Warm der Sonne, sie hangeln sich an langen Gespinstfäden vom Baum zum Boden. Wie ein lebender , glitzernder Vorhang sieht das aus. Die Pfingstrosen haben sich dem bunten Trubel der Frühjahrsblüher angeschlossen, auch sie sind Sonnenanbeter. Die Mitglieder der französischen Bouviers mehren sich, aber auch Leute von gestern sind heute wieder oder nicht mehr dabei. André, ein elsässischer Bouvier, bringt sein eigenes Ochsengespann mit und weil er gut deutsch spricht werde ich ihm zugeteilt. Ich denke ich sehe 2 Jungbullen, aber als ich anfange Zecken aus dem Zwischenschenkelbereich zu pfriemeln und Eutersalbe auf die gereizte Haut zu streichen finden sie das gar nicht lustig. André erklärt sie sind vor 14 Tagen erst gezwickt worden, also durchaus spät, sind sie doch zwischen 2 und 3 Jahre alt.

Zwischendrin ist der Rinderhof wieder voller Leute die um den Boulonnaise-Wallach herumstehen. Er soll das Schweinefutter ausfahren. Den ganzen Vormittag hat es im Kartoffelkocher gebullert. Wir sind abwechselnd mit dem Gespann der Museumsochsen, dem Gespann vom Philippe und dem Jungochsengespann vom André unterwegs. Wir basteln weiter an den Einstellungen des 2-Scharpfluges, so etwas kratzt am Stolz und wir wollen unbedingt ein voll funktionsfähiges Ergebnis. Die Sonne meint es fast zu gut mit uns und die Rinder dürfen immer wieder im Schatten pausieren.

Am Nachmittag gibt es eine kurze Besprechung mit dem Museums-Chef; er würde gern mehr Rinder-Arbeit zeigen und anbieten. Aber bei so einem Treffen können Laien nicht mitmachen, bestenfalls zuschaun. Vielleicht findet sich eine Möglichkeit mehr Kurse anzubieten? Der Philippe hat aber nicht immer Zeit, zu Hause muß er noch eine Landwirtschaft stemmen. Sicher ist, daß das Museum uns absolut toll betreut. Wir helfen bei der Vorstellung fürs Publikum. Nach den Pferden sind wir dran, stellen die Rinder vor und Philippe erklärt Details und Nutzen zu den Holzarbeite-Geräten. Allen Kindern und Besuchern erklärt er am Beispiel von ein paar Meterstücken das Prinzip des Holzrückens. Wieder fahren wir Futter holen und beschließen den Tag in der Kantine.

Am dritten Tag

Auch an Tag 3 scheint die Sonne, alle Wolken haben sich verzogen und der Morgen ist noch warm vom Gestern. Wir müssen die Rinder ernsthaft auftreiben, so gemütlich liegen sie auf der Weide herum und kauen wieder. Wir finden es weniger prickelnd, haben uns doch die Bienen aus dem naheliegenden Stock entdeckt und fliegen gezielte Abwehrattacken. Ein Mädchen aus unserer Gruppe wird gar gestochen, okok, wir haben es begriffen und gehen schon. Danach nehmen wir die Ochsen mit in den Wald, auch der gehört zum Museum. Wir wollen einen Baumstamm auf den Zimmerer-Platz schleifen, den langen Stamm einer Akazie. Er liegt da im weichen Erdreich schon eine Weile, tief hat er sich im Boden eingegraben und das große Ochsenteam kann ihn erst bewegen, als sie im 90° Winkel anziehen. Jetzt spannt Philippe um: das Jungochsen-Team kommt vor den Stamm und die beiden Altochsen werden der Vorspann sein. Ich darf die beiden Großen leiten, und fragt nicht wie und warum, aber sie verstehen mich und meine deutschen Kommandos. Wir bringen den Stamm sicher bis auf den großen Platz. Dort unterschätze ich die Länge die wir haben völlig, ich fange zwar ganz außen an in die Kurve zu gehen, mache diese aber dann zu steil. Gerade noch können wir verhindern, daß der Stamm gegen einen der hier geparkten Holzwagen stößt. Also wie in der Fahrschule, die Kurve neu justieren und korrigiert angehen ;-) .

Das war Arbeit für alle 3 Ochsengespanne, weil wir in der Kippkarre die Motorsäge und Ketten etc. mitgebracht hatten. Diesmal können die Ochsen in der Vorstellung dem Publikum ihren Zentimeter genauen Umgang mit dem Stamm zeigen; sie schieben ihn perfekt bis zur im Sand markierten Stelle. Selbstverständlich gehen wir wieder Futter holen; diesmal kann ich dem Boulonnaise-Wallach beim Mähen zusehen. Er ist mit einem Fahr-Balkenmäher (761 ½) unterwegs. Das fette, dichte, im besten Saft stehende Gras bringt das Pferd an seine Grenzen. Ich begreife das erste Mal wirklich, warum Rinder eine andere Übersetzung im Mähwerk brauchen, mit der Geschwindigkeit die hier nötig ist, können sie nicht mithalten. Während sich ein Teil von uns nochmal mit dem 2Schar-Pflug abgibt (ganz selbsthaltend ist er immer noch nicht) belädt der andere Teil den Futterwagen mit dem frisch gemähten Gras und verteilt es auf dem Rückweg durchs Museum.

Der Rest des geschnittenen Grases soll mit dem Wagen rückwärts im Rinderhof eingeparkt werden. Eine Weile läßt uns Philippe gewähren, dann nimmt er sich das Ochsenpaar, dreht es um und spannt den Wagen von vorn an. Jetzt ist es einfach, das Gefährt dort zu parken wo es hin soll. An diesem Abend sind die meisten der französischen Kollegen da, es gibt ein richtiges Festessen und es wird viel erzählt. Alle packen mit an als es gilt das Geschirr zu spülen und aufzuräumen.

Unser letzter Tag wird wieder feucht, schade aber der guten Stimmung kann es nichts anhaben. Ein Ochse ist schon wieder zu Hause, also können wir heute nur mit 3 Ochsen Holzrücken. Wir jochen die beiden Jungochsen an, während der dritte, ältere ein Vollkumt angelegt bekommt. Wieder soll ich die Vorhut machen, nein, perfekt wird unsere Kurve auf dem Platz wieder nicht, aber schon besser wie gestern. Die Anspannung hat ihre Tücken, die Zugkette läuft eigentlich viel zu tief vom Kumt von vorn nach hinten zum Stamm, es kommt viel Druck auf das Joch in der Mitte, aber die kurze Zeit muß es gehen. Während die anderen sich am Nachmittag mit einem Klauenputzer der Theorie der Klauen- und Beingesundheit annehmen, muß ich mich auf den Heimweg machen. Schade, das war viel Spaß und Freude an den Rindern. Allerdings wie bei uns gilt: nach dem Treffen ist vor dem Treffen ...