Zugrindertreffen 2024

Zugrindertreffen bei Karl Wilhelm Becker in Lehrbach am 3. und 4. Februar 2024

Jedes Jahr im Februar treffen sich 30 bis 60 Menschen bei einem Rindergespannführer irgendwo in Deutschland. Dieses Mal hatte Karl Willhelm Becker in den Vogelsberg nach aus Kirtorf-Lehrbach eingeladen.

Mit am Samstag ca. 38 und an beiden Tagen etwa 50 Teilnehmern war das diesjährige Treffen der Zugrinderleute trotz des etwas trüben Wetters gut besucht.

Der Vogelsberg ist ein wichtiger Ursprung des Roten Höhenviehs. Der ehemals dort heimische Schlag, das Vogelsberger Rotvieh, ist einzeln nicht mehr erhalten, ist aber neben dem Harzer Rotvieh in großen Anteilen im Roten Höhenvieh enthalten. Entsprechend hält und züchtet Karl Wilhelm Becker seit vielen Jahren diese Rasse mit einigen Kühen.

Bereits Wochen vor dem Treffen hat Karl Willhelm Becker mit seinem Team von Helfern begonnen, einen Vierspänner seines Roten Höhenviehs zu trainieren und mit Geschirren auszustatten. Die Kühe im Alter von 4 bis 12 Jahre Heidi, Lisa Marie und Gerlinde, sowie die Färse Efeu machten sich prächtig vor dem Leiterwagen des Oldtimervereins Ohmtal. Zuhause bleiben musste der 8-jährige Ochse Karl Heinz. Das I-Tüpfelchen war Kalb Lotti, die, ans Halsband ihrer Ammenmutter gebunden, alles wie eine Große mitmachte und auch gleich mitlernte. So war es damals auch üblich war, als Kuhgespanne bis vor 50-80 Jahren in den Mittelgebirgen noch ein selbstverständlicher Anblick waren. Beim Blick auf das Gespann mit den traditionell ortsüblichen Dreipolsterkummets mit roten Hamen fühlte man sich dann auch in diese Zeit zurückversetzt. Auf dem teilweise steilen Feldweg zogen die Kühe den Leiterwagen brav bergauf. Stolz saßen Karl Wilhelm und seine Gefährtin Elke Gottlieb mit den Leinen auf dem Bock. Bergab mussten die Helfer, darunter Ortsvorsteher Sebastian Otto, ordentlich bremsen und gegenhalten. Apropos Helfer: Seinem Team von ca. 20 Helfern dankte Karl Wilhelm ganz herzlich, denn ohne sie, wäre das alles nicht möglich gewesen. Viele helfende Hände waren schon beim Training engagiert und halfen nun beim Anspannen und Führen des Gespannes. Darunter Nachbarn wie Steffan van Leuwen, aber auch Bauern und Bäuerinnen wie Reinhardt Seim, Birgit Schremser oder der langjährige Züchter von Rotem Höhenvieh und Mitbegründer des Vereins Rotes Höhenvieh alter Zuchtrichtung Albrecht Haberlach. Von dessen Betrieb stammen auch Vorfahren und einzelne Tiere - wie Kalb Lotti - von Karl Wilhelms Zuchtbestand. Von der Abholung der Gäste vom Bahnhof über Kaffee und Kuchen in einem Nebengebäude, der Bewirtung im Dorfgemeinschaftshaus bis hin zum Frühstück einiger Gäste war für uns Besucher bestens gesorgt.

Unter den Eingeladenen befand sich auch Familie Döring mit zwei Ochsen der Rasse Rätisches Grauvieh. Auch dieses Gespann nahm an den Rundfahrten Teil, so dass insgesamt 7 Tiere angespannt waren. Dörings züchten schon lange diese Rasse und haben immer wieder Gespanne ausgebildet und verkauft. Dörings bilden auch Rinder für andere Menschen aus.

Zum Abendessen traf man sich im Dorfgemeinschaftshaus. Der Bürgermeister von Kirtorf, der Ortsvorsteher von Lehrbach und Jörg Bremond, Mitbegründer der Zugrinder AG sprachen einleitende Worte. Wer sich beim Anblick des Kirtorfer Wappens an der Wand über die darin abgebildeten strahlend weißen, lyraförmigen Hörner ( ein herausstellendes Merkmal podolischer Rinder ) gewundert hat: hier gleich nebenan in einem Stadtteil von Kirtorf, in Wahlen, verlief die Brabanter Straße, im Mittelalter und der Frühen Neuzeit eine der bedeutendsten kontinentalen West-Ost-orientierten Heer- und Handelsstraßen. Ohne Frage ein Weg auf dem auch Ungarische Steppenrind-Ochsen unterwegs waren, damals Europa-weit gefragtes Handelsgut als Lebensmittel und zur Arbeit.

Brabanter Straße

Karl Wilhelm erzählte, wie die Zugrinder AG 2001 aus der Wiege gehoben wurde: eine Studentengruppe hatte damals Jörg Bremond, Rolf Minhorst, ihn selbst und einige andere Zugrinderleute zu einem Vortrag über eben dieses Thema in die damals noch Gesamthochschule Witzenhausen eingeladen. Seitdem treffen sich die Zugrinderfreunde jedes Jahr bis heute.

Karl Wilhelm Becker hatte 1997 in der Wetterau erstmals selbst ein Rindergespann gesehen. Durch verschiedene Umstände landete das Gespann samt Ausstattung schließlich bei ihm. Das war der Anfang seiner Karriere mit Zugrindern.

Es folgte eine Vorstellungsrunde bei der sich folgendes, sehr vielfältiges Teilnehmerbild zeigte:

11 Gespannführer, teilweise in Teams, von insgesamt mindestens 12 Gespannen oder Einzelzugrindern waren unter den Teilnehmern.

Mindestens 6 der anwesenden Rinderbesitzer haben begonnen oder haben den Plan, sich ein Rind oder Gespann anzulernen.

Dazu (hier gibt es Doppelnennungen) einen Fotografen und Kameramann mit Zugrindern als einem seiner Hauptthemen, eine Handvoll Pferdegespannführer, zwei Archäologen, zwei Menschen aus dem Museumsbereich, 10 Herdbuchzüchter einer bedrohten Rinderrasse, eine Administratorin der Website „Zugrinder.de“...

Folgende Anzahl der Teilnehmer hielten oder züchteten diese Rassen (HB= Herdbuchzucht): 1 Glanvieh (HB), 1 Gelbvieh (HB), 9 Rotes Höhenvieh (davon 8 HB Betriebe), 1 Murnau Werdenfelser, 1 Hinterwälder, 1 Fleckvieh, 1 Texas Longhorn, 1 Pinzgauer, 1 Vogesenrinder.

Nach der Vorstellungsrunde zeigte Karl Wilhelm etliche Bilder und Filmchen von seiner Arbeit mit seinen Spannkühen und Zugochsen: Dazu gehören Umzügen und Veranstaltungen in Museen, auf der Kirmes oder Erntedankfesten über mittlerweile 7 Hochzeiten und Oldtimerveranstaltungen, bei denen er seine Roten vor historische Getreidemähwerke, Grubber oder Drillen spannt, bis hin zum inzwischen fest etablierten „Almabtrieb von Lehrbach“. Für jede Art von Unterhaltung und Bildung zum Thema ist er mit seinen „Roten“ zu haben. Es gibt aber auch immer einen pädagogischen Aspekt im Hintergrund: anhand auf der Pflugschleife mitgeführtem Ackergerät werden Themen von landwirtschaftlichen Tätigkeiten bis zu bedrohten Rassen thematisiert. Ihm ist wichtig, das Leben und die Arbeit auch von kleinen und ärmeren Bauern bis in die 1950er Jahre zu thematisieren. Das Ganze findet teilweise in Mundart und mit eingängigen Wortspielen statt:
„Was ist die Kuh? Die Kuh ißt Gras. Die Kuh ist nicht dumm!“.

Daran kann man sehen: Karl Wilhelm versteht etwas von Rindern.

Vor 18 Jahren fand bereits einmal ein solches Treffen bei Karl Wilhelm Becker statt. Es bleibt zu hoffen, dass wir uns in 18 Jahren wieder bei ihm Treffen!